Das Haus Mariens






Vierzehn Kilometer von Ephesus, beim Bergdorf Selcuk in der westlichen Türkei, liegt in 550 m Höhe über dem Meeresspiegel eine landschaftlich einzigartige Gegend, Panaghia Capouli. Hier fallen die bewaldeten Bergrücken in unsagbarer Schönheit ab... der Blick reicht über die eigenartig rötliche Landschaft bis weit hinunter bis zum ägäischen Meer. Ein eigentümlich leichter Nebelschleier läßt auch bei strahlendem Sonnenschein alle Farben überaus weich erscheinen. In Panaghia Capouli herrscht tiefer Friede. Seit rund 2000 Jahren trug hier ein kleines Haus diesen Namen. Panaghia heißt die Allheilige und Capouli ist das "Haus". Hier wohnte Maria, die Mutter Jesu. Es ist sehr einsam hier. Die Christenheit weiß noch nicht sehr lange von diesem Ort. Die genaue Lage des Hauses wurde auf eine höchst ungewöhnliche Weise entdeckt. Ein Mädchen, Anna Katharina Emmerich sah das Haus Mariens in ihren Visionen. Clemens Brentano hat diese Schauungen aufgeschrieben. Abbé Gouyet, dem diese Aufzeichnungen in die Hände fielen, ging den Spuren nach und fand genau am bezeichneten Ort Spuren einer Ruine. Bei der folgenden archäologischen Ausgrabung erwiesen sich alle Angaben Katharinas als richtig. Der Fund war für die katholische Christenheit jener Zeit eine Sensation; heute ist er längst vergessen. Im siebten Jahrhundert war auf den Ruinen des Hauses eine Kapelle errichtet worden. Man fand einen halben Meter unter ihrem Fußboden das Hausinnere erhalten, den rauchgeschwärzten Herd mit der hartgewordenen Asche darin, die Reste des Steinfußbodens. An der Südmauer, dem Eingang rechts gegenüber, befand sich das Schlafgemach. Dicht unterhalb des Hauses fließt eine Quelle, die Quelle der heiligen Jungfrau, "Hazreti Meryam Ana Suyu", wie die Türken sagen. Die Einsamkeit, besonders in den Abendstunden, ist hier tief und unauslotbar. Das Haus der Maria hüllt sich in blaues Licht. Wer den Morgen abwartet, hört Nachtigallen von den nahen Wäldern her... Von jener Kapelle bei Ephesus aus, der einstigen Kultstätte der Fruchbarkeitsgöttin Kybele, der Magna Mater und der Artemis, trat die Marienverehrung ihren unvergleichlichen Siegeszug durch Byzanz und dann über das ganze Abendland an. Durch das Dogma "Maria ist Gottesgebärerin" war ihr Anteil am Erlösungswerk offenbar geworden, und das griechisch gebildete, römisch regierte Abendland sank vor ihr, vor Millionen ihrer Ikonen, auf die Knie.

nach I. Lissner


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